《Vera - Ein Abentuer ins Ungewisse [German]》Kapitel 36: einer dieser Tage

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Die folgenden vier Wochen verbringe ich fast ausschließlich in der Sira-Gilde. Obwohl meine physische Verfassung als Magier eher zweitrangig ist, stehen diverse Ausdauer- und Kraftübungen an. Jedoch sind die Anforderungen an Clara wesentlich höher. Wenn ich 20 Liegestütze machen soll, macht sie 30, wenn ich 10 Runden laufe, erwartet man von ihr 12. Sollte dieser Drill noch nicht genug für die junge Frau sein, dann rauben ihr die Übungskämpfe die letzten Kraftreserven. Pauls Methoden mögen zwar ein wenig behutsamer als die von Sophie sein aber zimperlich ist auch er nicht. Die Schwertübungen in den ersten zwei Wochen überhaupt als Kampf zu betiteln wäre gewagt. Ich bin mir sicher, dass manche Tage für sie nicht einfach waren. Allerdings ist Clara ihrer Kämpfernatur treu geblieben. Ich bin mir sicher, dass sie durch die Erfahrungen zu einer besseren Abenteurerin werden wird.

Auch für mich stehen gelegentlich Übungskämpfe mit Paul an. Jedoch nutzt der Krieger diese Zeit eher um mir die Vor- und Nachteile verschiedener Waffen zu präsentieren. Was unterscheidet eine Axt von einem Einhandschwert? Wie sollte ich mich bei einem Angreifer mit einem Großschwert verhalten? Welche Fertigkeiten sind häufig bei diesen Kämpfern? Man würde vielleicht meinen, dass Auseinandersetzungen mit Menschen eher selten vorkommen aber Paul überzeugt mich vom Gegenteil. Es gibt nunmal nur so viele Missionen in Torfbergen oder um es in seinen Worten zu sagen: “Manchmal muss man eben die Ellbogen etwas ausstrecken.”

Neben meinen Aufgaben in der Gilde ist es mir auch gelungen ein sinnvolles Buch zu erwerben. “Gefahren südlich des Turbinger Waldes” ist ein Ratgeber, welcher ein gewisser Robin Fahrmann geschrieben hat. Der Abenteuer und Bogenschütze war offensichtlich viel zwischen Torfbergen und Turbingen, welches die nächst größere Stadt ist, unterwegs. Auch wenn ich nun eine Menge über Schleime, Wildschweine, Wölfe, Ameisen und vor allem Spinnen weiß, war der Schinken unverschämt teuer. 480 Sil für etwa hundert Seiten Papier, von denen einige so geschmiert sind, dass man sie nur mit Mühe lesen kann!

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Wimmerwald der mit Abstand gefährlichste Ort im Umland ist. Selbst die hartgesottenen Abenteurer der Gilde sprechen nur ungern über ihre Erfahrungen von dort. Zwei Spinnenvölker, sowie eine Ameisenart kämpfen über dutzende Kilometer hinweg um die Vorherrschaft. Alle drei Arten zeichnen sich durch ihr territoriales Verhalten und ihre Reproduktionsfähigkeit aus. Menschen spielen in diesen Konflikten nur eine untergeordnete Rolle. Die absurde Masse an Erfahrung zieht dennoch zahllose Abenteuer an. Fasst alles in dieser grünen Hölle ist Rang 2. Doch nur wenige Gruppen können sich gegen zehn Waldspinnen auf einmal wehren, kommen gleichzeitig mit dem schwer passierbaren Terrain zurecht und halten stundenlangen Kämpfen stand. Aus diesen Gründen machen die meisten Menschen einen riesengroßen Bogen um diesen Wald. Auch ich kann sehr gut auf eine direkte Erfahrung des Wimmerwaldes verzichten. Zum Glück sind meine Fertigkeiten furchtbar im Umgang mit mehreren Feinden.

Am Nachmittag informiert mich Lars, dass er endlich einen Schrecknadler für mich ausfindig gemacht hat. Die etwa katzengroßen Wesen erinnern mich an eine Mischung aus Maulwurf und Igel. Sie sollen mir dabei helfen mein Rindenschild auf Level 3 zu bringen.

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Grundsätzlich ist es natürlich das Ziel der Sira-Gilde mich schnellstmöglich in den zweiten Rang zu bekommen. Allerdings ist es wohl keine gute Idee mich schnurstracks nach Level 50 zu befördern. Das System schlägt einem mögliche Klassen nicht nur anhand seiner Spezialisierung und Attribute vor. Der Weg dahin wird genauso berücksichtigt, wie auch das Level der Fertigkeiten.

Wenn du zum Beispiel den zweiten Rang nur mit dem Töten von Ratten erreicht hast, dann wirst du gegebenenfalls auch eine Rattentöter-Klasse zur Auswahl bekommen. Es ist zwar nicht ganz einfach für mich zu verstehen aber je mehr du leistet, desto wahrscheinlicher ist es Voraussetzungen für gewisse Klassen zu erfüllen. Sich einfach nur nach Level 50 tragen zu lassen ist offensichtlich keine großartige Leistung und wird auch entsprechend vom System gewertet. Eine gängige Voraussetzung für Klassen ist zum Beispiel eine gewisse Fertigkeit zu besitzen oder diese auf Level 5 gebracht zu haben. Aus diesem Grund versuchen gute Abenteuer auch mindestens eine Fertigkeit dorthin zu bekommen, bevor sie sich an die Rangaufstiegsmission wagen.

Da ich Manabolzen sehr wahrscheinlich mit Level 40 abwählen werde und Pflockfalle zu teuer ist um effektiv daran zu arbeiten, liegt mein Fokus auf dem Rindenschild. Die Problematik, dass nur “feindliche” Projektile zählen lässt sich ziemlich leicht umgehen. Damit man vom System als “Feind” gewertet wird, reicht die Intention aus, jemanden ernsthaft verletzen zu wollen. Ich musste also nur einen Bogenschützen finden, welcher kein Problem damit hat mir notfalls einen Pfeil in den Arm zu jagen. Es war eine kurze Suche. Ich glaube zwar nicht, dass es etwas persönliches ist aber die Möglichkeit, auf einen Magier zu schießen, scheint ein äußerst verlockendes Angebot zu sein. Auch wenn mich zwei Pfeile im Verlauf des Trainings übel erwischt haben, so ist es mir schließlich dennoch gelungen, die Fertigkeit auf Level 2 zu bringen.

Rindenschild Lv 2

Erschaffe einen kleinen Schild aus Baumrinde in deiner nahen Umgebung. Der Schild blockt 35 (60) Schaden und bleibt 6 Sekunden bestehen.

Kosten

24 Mana

Wirkzeit

1 Sekunde

Seltenheit

ungewöhnlich

Bedingung für Levelaufstieg

Blocke 300 feindliche Projektile mit Rindenschild (14/300)

Das Schild hat nun zehn Lebenspunkt mehr und hält eine Sekunde länger, dafür kostet die Fertigkeit aber auch vier Mana mehr. In meinen Augen ein fairer Tausch.

Um meinen weiteren Fortschritt ein wenig sicherer und effizienter zu gestalten, kam Lars auf die Idee mit dem Schrecknadler. Die halbblinden Tiere sind nur Level 12 und vor allem für Kinder gefährlich. Der Name ist bei diesem Wesen buchstäblich Programm. Fühlt es sich bedroht oder erschreckt man es, feuert es die Nadeln auf seinen Rücken explosionsartig in alle Richtungen. Eine einzelne Nadel fügt mir zwar nur einen Schaden zu aber trotzdem verliere ich bei meinem ersten Versuch neunzehn Lebenspunkte. Dafür springt aber auch der Zähler von 14 auf 28. Gerne würde ich mich noch einer weiteren Nadelexplosion stellen aber der kleine Kerl ist völlig erschöpft. Seufzend picke ich die nächsten Minuten Nadeln aus meiner Kleidung und organisiere meinen kleinen Freund anschließend einen Teller mit Bucheckern und Kastanien. Es soll ja keiner behaupten können, dass ich mich nicht um mein neues Haustier kümmern würde.

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Dank des Schrecknadlers erreicht mein Rindenschild zehn Tage später Level 3. Viel Zeit mich darüber zu freuen bleibt mir allerdings nicht.

Marco Sira 13:39Uhr: Treffen alle Mitglieder abmarschbereit um 1400 im Haupthaus. Notfall

Ich bin nicht der Einzige, welcher einen Moment braucht um auf diese Nachricht zu reagieren. Augenblicklich lasse ich alles stehen und liegen und bewege mich zügig in mein Schlafquartier. Gildennachrichten sind eine fantastische Sache. Mitglieder einer Gilde können jederzeit eine Mitteilung an jemand Bestimmten oder alle Mitglieder der gleichen Gilde schicken. Es ist quasi wie ein Brief, nur das die Nachricht unmittelbar ankommt! Außerdem können Außenstehende die Mitteilung nicht abfangen.

Natürlich hat diese Möglichkeit der Kommunikation auch Nachteile. Einige Gerätschaften und Fertigkeiten können diese Funktion blockiert. Auch unter Tage funktioniert das Senden und Empfangen von Nachrichten angeblich nicht besonders gut. Der größte Haken sind jedoch sicherlich die hohen Manakosten. Jedes Wort kostet fünf Mana. Somit hat diese eine Mitteilung meinem Chef bereits mehr Mana abverlangt, als die meisten Mitglieder besitzen.

Mit großen Schritten eilen einige der Abenteurer an mir vorbei. Schwerter werden noch ein letztes Mal geschärft, Köcher werden befüllt und die Kuriere decken sich mit allerlei Lebensmittel ein. Ich schnappe mir meine Sachen und stopfe sie eilig in meinen Rucksack. Auch mein Weg führt mich zu Seb für ein paar Notrationen. Es hat noch nie geschadet mehr Essen mitzunehmen als man im Endeffekt braucht. Im Haupthaus blicke ich in angespannte Gesichter. Clara und Sven sind nicht unter ihnen. Die beiden sind zusammen mit zwei weiteren Abenteurern auf einer Mission unterwegs. Insgesamt haben sich einundzwanzig Frauen und Männer eingefunden.

“Hallo zusammen”, begrüßt uns Marco kurz. “Vor knapp einer Stunde hat mich folgende Nachricht aus Silberstieg erreicht.”

Kai Stroch 13:02Uhr: Banditenüberfall. Silberstieg fällt. Rettung?

“Leider ist Kais Nachricht sehr vage und weder er, noch die Anderen antworten mir. Ich habe bereits bei der Lehmann-Gilde und den Männern von Hektor nachgefragt. Auch sie scheinen Niemanden vor Ort erreichen zu können.” In diesem Moment leuchtet vor meinen Augen eine neue Mission auf.

Mission: Kameradschaft

Du hast den Hilferuf eines Kameraden der Sira-Gilde erhalten. Als Mitglied der gleichen Gruppierung ist es deine Pflicht zu versuchen, ihn aus seiner misslichen Lage zu befreien.

Aufgabe 1

Hilf dabei die Banditen aus Silberstieg zu vertreiben (0/1)

Aufgabe 2

Rette die Mitglieder der Sira-Gilde (0/3)

Aufgabe 3

Rette die restlichen Geiseln (0/31)

Aufgabe 4

Töte den Anführer der Banditen (0/1)

Aufgabe 5

Töte ??? (0/1)

empfohlenes Level

Lv 30+

Belohnung 1

2.500 (625) Sil

100.000 Erfahrung

Belohnung 2

17.000 Erfahrung pro geretteter Geisel

Belohnung 3

5.000 Erfahrung pro geretteter Geisel

Belohnung 4

410.000 Erfahrung

Belohnung 5

2.285.000 Erfahrung

Ich muss zweimal hinschauen, um die Zahlen tatsächlich zu glauben, siebenstellig! Ungläubig schaue ich zu unseren Anführer. “Wie ihr offenbar alle gerade feststellt, scheint das System es gut mit uns zu meinen. Zumindest einiger unser Brüder und Schwestern sind noch am Leben und beim System will ich verdammt sein, wenn auch nur einer von ihnen ins Gras beisst!”

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Es ist schon eine Weile her, dass ich so tief in der Scheiße stand. “Luca, schaff gefälligst endlich die Leute aus dem Einschlagsgebiet!”, schreie ich quer über den Platz. Ich höre nicht die Erwiderung meines langjährigen Kameraden, da wenige Meter neben mir ein zentnerschwerer Steinbrocken einschlägt. Normale Banditen wissen es eigentlich besser, als in der Nähe von Silberstieg und Steinmark nach Ärger zu suchen. Banditen im Besitz von Belagerungswaffen stehen allerdings auf der Scheißeskala relativ weit oben. Irgendwo zwischen einer Woche “Urlaub” im Wimmerwald und einem “Übungskampf” mit Sophie würde ich den heutigen Tag wohl einordnen. Ich sprinte vorbei an dutzenden, zerstörten Häusern, in Richtung des Ostteiles der kleinen Stadt. Es dauert nicht lange, bis ich die ersten Geräusche des Kampfes wahrnehme.

Eilig erklimme ich eines der Dächer und mit geübter Hand feuere ich den nächsten Pfeil. Die Meldung über die gewonnene Erfahrung lasse ich augenblicklich verschwinden. Es gibt gerade Wichtigeres zutun. Stück für Stück befreie ich die Dächer von dem Gesindel.

Der nächste fliegende Scheißebrocken zwingt mich jedoch zurück auf die engen Straßen der Stadt. Die nun vor mir stehenden Banditen sind zwar von meiner Anwesenheit überrascht, kleben mir aber in den folgenden Minuten äußerst hartnäckig an den Hacken. Ich atme in meinem Versteck für eine Sekunde durch. Wenn ich mich nicht mit den anderen Abenteurern zusammen tun kann, dann werden wir dieser Belagerung nicht lange standhalten. Wir müssen verhindern, dass weiter Banditen in unsere Stadt eindringen. Gleichzeitig gilt es irgendwie die Belagerungswaffen auszuschalten. Sollte uns das nicht gelingen, dann wird von Silberstieg bald nur noch ein Haufen Geröll übrig sein.

Ich habe gerade erst wieder eine erhöhte Position erklommen als die Erde unter meinen Füßen anfängt zu vibrieren. Erst sind es nur kleine Kieselbrocken, welche wie von Zauberhand durch die Gegend springen. Danach fangen die Fenster an zu schwingen und bersten schließlich in der gesamten Stadt. Meine Augen liegen fassungslos auf das grüne Monstrum, welches sich da mit großen Schritten nähert. Der Schrei des Biestes lässt jeden Knochen in meinen Körper beben.

???

Das macht die Dinge um einiges komplizierter. Ich checke meinen Manavorrat. Sollte gerade noch genug sein, um dem Boss zumindest ein grobes Bild unserer Lage hier zu zeichnen. Während ich die Nachricht an meine Gilde verfasse, erreicht das Biest die kümmerliche Mauer und lässt den Boden mit einem Schlag seiner gigantischen Keule erzittern. Was für ein absoluter Scheißtag.

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