《Vera - Ein Abentuer ins Ungewisse [German]》Kapitel 32: Beitritt?

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Niedergeschlagen liege ich auf meinem Bett. Ich habe Clara nach meiner Rückkehr als erstes die Hälfte der Belohnung für die Informationen überreicht. Immerhin haben wir ja gemeinsam dafür gekämpft und geblutet. Auch habe ich ihr vom Angebot des Gildenanführers erzählt. Herr Sira hat mir zum Schluss noch versichert, dass sollte ich beitreten, die Kriegerin gerne ebenfalls aufgenommen wird. Claras Reaktion auf diese Neuigkeit war eher gemischter Natur. Teil einer größeren Organisation zu sein ist ein unbestreitbarer Vorteil. Allerdings wollte sich die Kriegerin ja eigentlich mit dem Erreichen des zweiten Ranges der Gilde ihres Bruders anschließen. Solche Mitgliederverträge werden in der Regel aber über mehrere Jahre geschlossen. Einfach hinschmeissen und weiterziehen ist ein klarer Regelbruch und wird dem Vertrag entsprechend bestraft.

Wenn ich die Angelegenheit richtig verstehe, dann gibt es nur zwei Wege seine Mitgliedschaft vorzeitig zu beenden. Entweder du kaufst dich aus dem Vertrag raus oder der Gildenanführer annulliert den Vertrag und entlässt dich aus der Gilde. Da beides aus unterschiedlichen Gründen eher unwahrscheinlich ist, sollte man es sich gut überlegen ob und für wie lange man solch einen Vertrag unterschreibt.

Für mich selbst ist die Antwort nach reiflicher Überlegung ziemlich einfach. Im Moment stolpere ich eher durch mein Leben und hoffe Brotkrumen zu finden, welche mich meinem verlorenen Gedächtnis näher bringen. In einer Gilde hätte ich jedoch ganz andere Möglichkeiten, um nach solchen Spuren zu suchen. Sicherheit, Wissen und Sil sind alles Sachen, welche ich aktuell brauche und die mir die Sira-Gilde bieten kann. Trotzdem werde ich meine endgültige Antwort erst fällen, wenn ich weiß wie sich Clara entschieden hat. Ohne sie wäre ich dort im Wald einfach jämmerlich verblutet. Ich habe mir fest vorgenommen die Kriegerin bis zum Erreichen ihres Ziels zu begleiten und davon wird mich auch nichts abbringen.

Was mir jedoch viel mehr zu schaffen macht, ist die Prophezeiung des Gildenanführers. Ich ging eigentlich davon aus, dass die Rangaufstiegmission kein großes Thema sei. Fast alle Menschen in Torfbergen sind Rang 2. Somit dachte ich, dass diese spezielle Mission nicht überragend schwer und maximal sehr zeitaufwendig sein kann. Für jemanden wie mich dachte ich da etwa an: “Zaubere 500 Fertigkeiten”, “töte 5 Lv 50 Lebewesen” oder “verbrauche 2000 Mana.” Jedoch habe ich auch keine Ahnung von der Materie und das System hat manchmal besonders unschöne Kniffe parat.

Ich habe auch erst überlegt, ob Herr Sira mir einfach nur Angst machen möchte und deshalb lügt. Allerdings weiß ich nicht was er davon hätte und je mehr ich darüber nachdenke, schlüssiger finde ich die dahinter liegende Logik des Systems. Man bekommt auf Rang 1 nur eine ungewöhnliche Spezialisierung, wenn man überdurchschnittliche Attribute in irgendeiner Weise besitzt. Wenn alle Anderen nur gewöhnliche Klassen besitzen, dann gestaltet sich mein Aufstieg in den zweiten Rang, dank der zusätzlichen Attributspunkte und der besseren Fertigkeiten, deutlich leichter. Die Rangaufstiegsmission ist der letzte Test des jeweiligen Ranges. Das eine gewöhnliche Klasse eine gewöhnliche Mission und eine Ungewöhnliche etwas Schwierigeres vorgesetzt bekommt, erscheint mir fair. Nichts auf dieser Welt ist umsonst, nicht die hohen Attribute, welche ich nur dank zahlreichen Nahtoderfahrungen mit den Ratten habe, oder die daraus resultierenden Fertigkeiten. Die Frage ist nun nur, wie anspruchsvoll wird meine Rangaufstiegsmission werden?

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Statt mir die unzähligen Horrorszenarien auszumalen, welche das System potenziell für mich parat hält, erwache ich lieber aus meiner Starre und gehe Clara suchen. Es wird Zeit die neue Fertigkeit zu testen.

Wir befinden uns in dem kleinen Wäldchen, welches nur einen kurzen Fußmarsch von Torfbergen entfernt liegt. Das Aktivieren der Pflockfalle ist völlig unscheinbar. Alles was ich tun muss, ist mit meinem Zauberstab den Boden zu berühren und nach der sehr kurzen Wartezeit eine Stelle für die Markierung wählen. Da die Beschreibung ausdrücklich erwähnt, dass die Falle aus dem Boden kommt, versuche ich zuerst die Markierung an einem Baum zu platzieren. Wie bereits erwartet, nimmt die Markierung keine Gestalt an. Auch die Oberfläche eines herumliegenden Felsbrockens funktioniert nicht. Somit ist klar, dass ich die Falle nur auf den Erdboden platzieren kann. Muss es Waldboden sein oder funktioniert die Fertigkeit auch auf den gepflasterten Straßen der Stadt? Da ich die Falle nur zweimal erfolgreich platzieren kann, werde ich mich dieser Frage wohl erst später widmen können.

Deutlich kann ich die schwach leuchtende Stelle sehen, an der sich meine Markierung manifestiert. Das Leuchten wird kurz darauf wesentlich stärker was bedeutet, dass die Falle scharf ist. Selbst wenn ich mich mit geschlossenen Augen im Kreis drehen würde, könnte ich danach punktgenau auf die Falle zeigen. Scheinbar gilt dieses Wissen aber nicht für Clara. Obwohl wir nun genau daneben stehen kann die Kriegerin nichts Ungewöhnliches erkennen. Die Markierung selber ist rund und etwa so groß wie meine gespreizte Hand. Wir treten wieder ein paar Schritte von der Pflockfalle zurück.

Ich versuche zunächst durch pure Willenskraft die Falle auszulösen, was kläglich scheitert. Auch ein Stück Moos genau über die Markierung zu werfen bringt nichts. Das ändert sich jedoch als ein weiteres Stück genau im Zentrum landet. Augenblicklich schiesst ein angespitztes Holzstück aus dem Boden und zerfetzt das Moos. Uns beiden fehlen erst einmal die Worte. Ach du Scheiße! Ich wusste ja, dass das Ding gefährlich sein würde aber mit dieser Wucht hatte ich nicht gerechnet. Klar, Moos ist jetzt nicht für seine Stabilität bekannt, doch ich bezweifle, dass sich Fleisch oder Knochen wesentlich besser schlagen. Das Holz hat den gleichen Durchmesser wie die Markierung und reicht mir bis zur Hüfte. “Ich hoffe du gibst mir Bescheid, wenn du vorhast diese Todesfalle irgendwo aufzustellen?”, fragt mich Clara mit einem leicht besorgten Unterton. Ich nicke ihr zu. Die Pflockfalle unterscheidet nicht zwischen Freund und Feind. Ich muss also aufpassen wann und wo ich dieses Monster einsetze.

Glücklicherweise lenkt mich Clara schnell mit einer Demonstration ihrer neuen Fertigkeit ab. Manaklinge gehört ebenfalls in die offensive Kategorie, ist aber bei weitem nicht so makaber. Entlang ihres Schwerthiebes erzeugt die Kriegerin eine bläuliche Welle, welche sich ausdehnt und schließlich zerfällt. Die Fertigkeit hat eine Reichweite von gut zwei Metern, was für jemanden wie Clara praktisch einem Fernangriff gleichkommt. Dafür, dass man damit mehrere Feinde gleichzeitig treffen kann, ist der Grundschaden von 35 auch nicht schlecht. 3 Mana pro Schlag ist jedoch nicht ohne. Außerdem hat diese Fertigkeit die gleiche Schwäche wie Manabolzen. Das Schimmern der Klinge ist ziemlich offensichtlich. Trotzdem will ich nicht immer nur herum meckern und beglückwünsche meine Begleitung zu ihrer neuen Fertigkeit. Hoffentlich bekommt sie auf dem zweiten Rang eine Klasse, welche ihre Manaprobleme löst. Da wir herausfinden, dass Manaklinge und kräftiger Schlag gemeinsam genutzt werden können und keine Wirkzeit besitzen, kann ich mir eine ziemliche gefährliche Kriegerin in der Zukunft ausmalen.

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Zurück in der Stadt klappern wir ein paar Läden ab. Zwei paar Shirts, Unterhosen und Socken sind schnell gefunden aber wegen einer entsprechenden Hose oder eine Jacke suche ich an diesem Tag vergeblich. Vielleicht sollte ich direkt eine Schneiderei aufsuchen und mir passende Klamotten nähen lassen. Natürlich wird die Angelegenheit dadurch nicht billiger aber ohne wetterfeste Kleidung kann ich mich die nächsten Monate nur im Gasthaus verstecken. Außerdem fühle ich mich mit noch 316 Sil in der Tasche alles andere als arm.

Am nächsten Morgen setze ich meinen Gedanken sofort um und suche eine Näherei auf. Ich schwanke vor Ort zwischen mehreren Möglichkeiten und entscheide mich letztendlich zwischen einer dickeren Jacke mit Kapuze. Die freundliche Angestellte nimmt meine Maße, fragt dabei noch nach ein paar Einzelheiten und konfrontiert mich anschließend mit dem saftigen Preis für die Jacke über 160 Sil! Für einem Moment werden mir tatsächlich die Knie weich. Ich wollte ja unbedingt ein passendes Oberteil, also muss ich dafür nun auch ordentlich blechen. Während ich auf die Jacke eine Woche warten muss, erstehe ich im gleichen Laden einen wasserdichten Umhang und noch eine gut sitzende Hose. Wenigstens hat mir die Frau auf die beiden Artikel einen kleinen Rabatt gegeben. Im Endeffekt hat mich mein Besuch in der Näherei 204 Sil gekostet. Hoffentlich taugen die Sachen auch was.

Am Abend sitze ich mit Clara zusammen in der Gaststube: “Also Clara, wie lautet deine Entscheidung?” Ich habe das Thema solange gemieden wie es mir möglich war aber ich brauche eine Antwort. “Ich denke, dass ich das Angebot annehme.” Ich bin tatsächlich leicht überrascht von ihrer Antwort: “Bist du dir sicher? Was wird dann aus dem Beitritt in der Gilde deines Bruders?” “Es ist der sicherste Weg um mein Ziel zu erreichen”, erwidert sie mir, “Ich werde ja bloß weil ich einer größeren Gilde beitrete nicht übermorgen Rang 2 erreichen. Außerdem wird unser erster Vertrag keiner über fünf Jahre sein. Je mehr ich jetzt lerne, desto besser kann ich meinen Bruder dann bei seinen Abenteuern zur Seite stehen.” Ich schaue in das strahlende Gesicht der Kriegerin. Wieder einmal mehr wird mir klar, wie sehr sie ihren Bruder lieben und vermissen muss. Da ihre Entscheidung gefallen ist, gibt es auch für mich nun kein Zögern mehr.

Schwungvoll klopfe ich in den frühen Morgenstunden an das hölzerne Eingangstür der Sira-Gilde. Es dauert eine Weile bis uns ein schlecht gelaunter Abenteurer die Tür öffnet: “Was wollt ihr?” “Ich habe einen Termin bei Herrn Sira.” Der Mann kneift die Augen zusammen bevor ihm offensichtlich die Erkenntnis trifft: “Stimmt er hat etwas von einem Magier erwähnt. Kommt rein.” Das Erdgeschoss des Hauptgebäudes ist heute leer. Entweder sind alle Mitglieder auf Mission oder sie schlafen alle noch. Der Mann begleitet uns in das zweite Obergeschoss und zeigt dann auf die mir bereits bekannte Tür: “Marco weiß bereits dass ihr da seid. Ich würde euch trotzdem empfehlen anzuklopfen bevor ihr reingeht. Unser Chef legt Wert auf solche Kleinigkeiten.” Mit diesen Worten schlendert der Abenteurer noch halb verschlafen wieder die Treppe hinunter und lässt uns einfach stehen. Irritiert schaue ich dem Mann hinterher. Woher weiß der Rang 3 das wir hier sind? Wir haben nicht eine Silbe seit dem Betreten der Gilde gesprochen und ich habe auch niemand aus dem Fenster schauen sehen. Ich packe die Frage zu den unzähligen Anderen, schreite den Gang entlang und klopfe an die Tür. “Kommt rein”

Herr Sira scheint uns tatsächlich bereits erwartet zu haben. Zumindest deuten die zwei dampfenden Tassen Tee sehr eindeutig darauf hin. “Ich habe mir die Freiheit genommen ein wenig Kamillentee vorzubereiten, bitte setzt euch.” Dankbar trinke ich aus der Tasse und spüre sofort wie die Wärme meinen Körper durchströmt. “Ehrlich gesagt, kommt ihr zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Die Abenteurergilde hat gestern Abend die Mission für die Wiesenfeen veröffentlicht und die halbe Stadt ist in Aufruhr deswegen.” “Weswegen ist diese Entdeckung so besonders?”, frage ich neugierig nach. “Wiesenfeen gehören zu der Sorte von Lebewesen, welcher der Adel gar nicht gerne in seinem Gebiet vorfindet. Deshalb wird er sich sputen dieses Problem möglichst schnell zu beseitigen, was in diesem Fall bedeutet eine lukrative Belohnung für das Ausräuchern des Nestes auszusetzen. Außerdem sind die Flügel der Biester locker 450-500 Sil pro Exemplar wert. Wenn du also über die richtigen Leute verfügst, dann gibt es in Kleinbruch gerade eine hübsche Menge Sil zu holen.” Ich schlucke hörbar bei den Summen die hier durch den Raum schwirren. Alleine zwei Feen zu töten kann bereits mehr Sil einbringen als ich seit meinem Erwachen in der Höhle erarbeitet habe.

“Auch wenn ich dank dir bereits Vorbereitungen treffen konnte, so habe ich nun niemanden mehr hier, der euch einweisen und alles zeigen kann. Da ich mich aber wie ihr seht hier noch um jede Menge Papierkram kümmern muss, werde ich heute nur ein Einzelgespräch mit euch führen, die Verträge erläutern und eine erste Mission überreichen. Falls also alles glatt geht, würde ich euch gerne nach dem Abschluss dieser Aufgabe offiziell mit dem Rest der Gruppe in Empfang nehmen. Ich weiß, dass das unhöflich von mir ist aber stressige Zeiten erfordern nunmal besondere Maßnahmen.”

Herr Sira bittet mich den Raum zu verlassen um ungestört mit Clara reden zu können. Ich studiere in der Wartezeit einige der aufgehängten Jagdtrophäen und überlege, was wohl meine erste Mission für die Gilde seien könnte. Das Öffnen der Tür holt mich schließlich aus meinen Gedanken. Clara sieht zufrieden aus. Hoffentlich kann ich mich auch mit dem Gildenanführer auf ein gutes Angebot einigen.

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